Der Aufruf zum meditativen Leben als buddhistischer Mönch

Der Wert des Lebens eines meditativen Mönchs kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Es gibt verschiedene wunderbare Arten des Lebens in dieser Welt. Aber es kann kaum einen wunderbareren Lebensweg als den eines meditativen Mönchs geben. Tatsächlich habt Ihr guten Grund, Euch zu gratulieren, diesen Lebensweg eingeschlagen zu haben. Dieses Leben als meditativer Mönch ist nicht nur unschätzbar wertvoll, sondern lauter und rein. Alle anderen herrlichen Lebensarten in der Welt haben mit äußerlichen Dingen zu tun. Sie sind auf äußerliche Abläufe ausgerichtet. Das Leben eines Mediterenden dagegen hat mit den inneren Abläufen zu tun – mit dem Vorgang der Geisteskontrolle. Der Buddha war der größte Meditierende aller Zeiten. Das Leben als meditativer Mönch hat in ihm seine Quelle. Die Geburt eines Buddha ist ein äußerst seltenes Geschehen in der Welt. Nicht alle, die seinem Dhamma zuhören, mögen dieses Leben der Meditation. Nur ein paar wenden sich dem meditativen Leben ernsthaft zu. Seid glücklich, dass Ihr zu diesen wenigen Glücklichen gehört.

Denkt an den inneren Frieden, der ein Ergebnis der Dhamma-Praxis ist, wie der Buddha es gelehrt hat. Wenn Euch an einem denkwürdigen Tag Eures Lebens der Gedanke an Entsagung kam, vom Haus in die Hauslosigkeit zu ziehen, so war es das Ergebnis einer starken Geisteskraft in Euch. Ihr solltet Euch dieses Ereignis immer wieder ins Gedächtnis rufen, als eines von großer Bedeutung in Eurem Leben. Ihr seid in der Lage gewesen, Vater und Mutter, Frau und Kinder, Freunde und Verwandte und jeglichen Reichtum zurückzulassen, weil das Hören des Dhamma eine starke Gedankenkraft und den Geist der Entsagung entfacht hat. Ihr solltet diese starke Willenskraft unter keinen Umständen aufgeben. Ihr könnt versichert sein, dass der Schritt, den Ihr gemacht habt, dem Ideal des »Fortziehens«, das in den Lehrreden beschrieben ist, entspricht. Die Sāmaññaphala-Sutta (Die Lehrrede von den Früchten der Entsagung) aus der Dīgha Nikāya (Der Langen Sammlung) schildert den wahren Geist der Entsagung, der den Vorgang des »Fortziehens« durchdringt, mit diesen Worten:

„Ein Haushälter oder der Sohn eines Haushälters oder jemand, der in dieser oder jener Familie geboren wurde, hört das Dhamma. Und beim Hören des Dhamma bekommt er Vertrauen in den Vollendeten. Wenn er von diesem Vertrauen ergriffen ist, erwägt er: ,Das Leben als Haushälter ist voller Beschwernisse – ein Weg für den Staub der Leidenschaften. Das »Fortziehen« ist so, als wäre man an der frischen Luft. Für jemanden, der im Haushalt lebt, ist es nicht leicht, das heilige Leben in seiner ganzen Fülle, in seiner ganzen Lauterkeit, mit der makellosen Vollkommenheit einer polierten Muschel zu leben. Lass´ mich darum meine Haare und den Bart abschneiden, die Safran-Robe anziehen und vom Haus in die Hauslosigkeit hinaus ziehen.´ Dann verläßt er alsbald sein Besitztum, ob groß oder klein, verlässt seine Verwandtschaft, ob groß oder klein, zieht sich die Safran-Robe an und zieht vom Haus in die Hauslosigkeit.“ (D. I,S.62 ff.)

Mit dieser Art des »Fortziehens« seid Ihr in eine Umgebung eingetreten, die der Entwicklung des Geistes am Besten entspricht. Doch wie bei jedem anderen Abenteuer muss man auch hier auf der Hut vor möglichen Gefahren sein. Es gibt vier Stadien im Leben eines mediativen Mönchs:

  1. Das Ergebnis des »Fortziehens« aus dem Leben als Haushälter.
  2. Das vorbereitende Studium in seinem mediativen Leben, in dem er in der Abgeschiedenheit beginnt, seinen Geist mit Hilfe eines Meditationsobjektes zu zähmen.
  3. Im Verlauf der Meditation in der Abgeschiedenheit stößt er auf Gefahren.
  4. Das Genießen der Ergebnisse seiner Meditation.

Um diese Stadien zu veranschaulichen, können wir zunächst das »Fortziehen« des Meditierenden mit dem Erreichen einer Lichtung im Dschungel vergleichen, nachdem er durch dorniges Dickicht hindurchgegangen war. Das Leben im Haushalt ist tatsächlich ein Dickicht voller Dornen. Aber obwohl man eine Lichtung im Dschungel erreicht hat, begegnen einem dennoch Gefahren durch wilde Tiere und Reptilien. So muss der Meditierende in der vorbereitenden Phase der Praxis vielen ablenkenden Gedanken begegnen, die so gefährlich sind wie wilde Tiere und Reptilien. Doch durch Beharrlichkeit überwindet er erfolgreich diese Gefahren. Es ist, als würde man ein wertvolles Stück Land erreichen, nachdem man durch ein Gefahrengebiet hindurchgegangen ist. In diesem Stadium hat der Meditierende einen Sieg über die ablenkenden Gedanken errungen. Nun bewundert ihn die Welt mit ihren Göttern als einen Menschen von großem Wert und fängt an, ihm andächtig Verehrung zu bezeugen. Doch dann stolziert der Meditierende, selbstzufrieden durch seinen anfänglichen Erfolg, durch sein wertvolles Stück Land und bleibt im Sumpf stecken. Eigener Vorteil, Ruhm und Lob sind mit dem Sumpf zu vergleichen. Manche Meditierende stecken bis zum Hals in diesem Morast und können nicht herauskommen. Andere bleiben eine Zeitlang darin stecken, schaffen es aber sich herauszuarbeiten. Während andere die Gefahren rechtzeitig sehen und sie von vornherein vermeiden.

Das Leben eines Meditierenden ist also nicht nur kostbar, sondern hat auch Klippen, die ein großes Maß an Umsicht verlangen. Ich hoffe, dass diese Beobachtungen Euch einigen Stoff zum Nachdenken geben, so dass Ihr das meditative Leben mit erfrischtem Geist und erneuerter Energie weiterführen könnt.

Dieses meditative Leben sollte mit großer Sorgfalt und Umsicht gelebt werden, um die zerklüfteten Felsen und Verwirrungen zu umgehen. Wenn die Geisteskraft, die einmal in die richtige Richtung ging, auf halbem Weg in Verwirrung gerät, wird sie ihren Schwung verlieren. Daher solltet ihr größere Begeisterung entwickeln und diese Geisteskraft erneuern, und so alle Möglichkeiten der Verirrung ausschließen.

Quelle:

Ven. Ñanarama, The Call to the Meditative Life. Übersetzt von Gudrun Heidecke in: Erkennen, nicht tadeln, ändern. Festschrift zum 70. Geburtstag von Ayya Khema. Jhana-Verlag.

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