Das Fortgehen in die Hauslosigkeit
– Ajahn Munindo

(basierend auf einem Vortrag bei einer Novizen-Ordination im Kloster Ratanagiri, Harnham, Northumberland, UK, Vesak 1997)

»Wir leben das Leben des Verzichts, weil es die tiefste Sehnsucht unseres Herzens wiederspiegelt. Es verstärkt ein inneres Verlangen, zu unserem wahren Erbe zu erwachen.«

Heute möchte ich darum bitten, dass wir über die Frage nachdenken, „Was ist der Wert und der Platz der zölibatären Ordens-Gemeinschaft in unserer modernen Welt?“

Vor einigen Jahren, als ich meinen ersten öffentlichen Dhammavortrag zu halten hatte, gab mir ein Freund als Ermutigung mit auf den Weg, dass das Sprechen über Dhamma wie lautes Kontemplieren sei, in dem man dem Stimme gibt, was man ohnehin tut. In diesem Sinne will ich heute mit euch reden. Idealerweise hätten wir einen respektierten und ehrwürdigen Senior-Mönch hier, um diese Ordination zu leiten und dieses besonders wichtige Thema anzusprechen; aber solche Individuen sind rar in der Welt, so müssen wir uns mit dem behelfen, was wir vor Ort haben.

Welche Bedeutung hat das zölibatäre Leben in dieser Zeit? Ich möchte dieser Frage nachgehen, weil unsere Teilhabe an diesem Gemeinschaftsleben, ob als Mönche, Nonnen oder Laien, uns nur dann wirklich dienlich sein wird, wenn unser Tun unmittelbar bedeutsam ist im Sinne von Dhamma. Wenn wir aus irgendwelchen anderen Gründen dabei sind, die nicht mit den tiefsten Sehnsüchten des Herzens nach Wahrheit in Einklang stehen, dann könnte es sein, dass wir mehr Schwierigkeiten für uns selbst wie für andere schaffen.

Ich möchte mit einer Geschichte beginnen. Sie kommt aus Indien, wo viele lehrreiche Geschichten herstammen, und sie handelt von der Andachts-Routine eines alten Swami. Dieser Swami hielt eine Katze in seinem Ashram. Es gab nur wenige Gelegenheiten, wo die Katze und der Swami nicht zusammen gesehen wurden. Die einzige Zeit, zu der es je ein Problem gab, war bei der Abend-Andacht, wo die Katze manchmal die Öllampen umstieß. Nachdem dies ein paar Mal vorgefallen war, beschloss der Swami, dass die Katze während der Andacht nicht mehr dabei sein sollte, und fing an, sie vor Beginn des Rituals nach draußen zu setzen. Dies löste das Problem ganz bequem, und die Andacht ging für Jahre weiter ohne Unterbrechung. Schließlich verstarb der Swami. All seine getreuen Anhänger fuhren fort mit der Andacht, und sie brachten weiterhin die Katze nach draußen, bevor die Puja begann. Eines Tages starb die Katze. Es gab keine Frage in den Köpfen der Anhänger: Sie gingen sofort auf den Markt und fanden eine andere Katze für den Ashram. Es schien ihnen nicht möglich, die Andacht richtig zu vollziehen, ohne das Ritual, die Katze hinauszusetzen.

So wollen wir in unserem Fall betrachten, wie viel von dem, was wir tun, Andacht ist und wie viel das Hinaussetzen der Katze.

Die Asiaten, die heute hier sind, haben möglicherweise keinen Zweifel hinsichtlich der Relevanz dieses Lebensstils der Entsagung. Er ist Teil eurer Kultur und ist für euch immer dagewesen. Aber vielleicht solltet ihr ihn in Zweifel ziehen, vor allem wenn ihr echte Antworten haben wollt, die ihr euren Kindern geben könnt, wenn sie zu euch kommen mit ihren ernstgemeinten Fragen.

Die Europäer andererseits gehen der Frage vielleicht lieber aus dem Weg, aus Furcht, dass etwas, das ihnen lieb ist, zerbrechen könnte. Aber wir brauchen die Wirklichkeit nicht zu beschützen. Die Realität fällt nicht auseinander. Wir müssen Gelegenheiten nicht abschirmen, die uns helfen, die Wirklichkeit zu sehen, und das eben ist es, wozu der Lebensstil des Verzichts bestimmt ist. Wenn wir sorgfältig nachforschen, was Respekt impliziert, dann haben wir nichts zu befürchten. Tatsächlich wird uns unser Fragen Schutz geben. Auf diesem Weg der Entwicklung sind wir daran interessiert, eine ungehinderte Beziehung zu der Wahrheit unseres Herzens zu fördern. Wir brauchen uns nicht zu fürchten, zu sehen, was wahr ist. Das Einzige, vor dem wir uns schützen müssen, ist Nicht-Bewusstheit.

Ich möchte dieses Thema heute ganz offen betrachten, weil ich eine starke Kraft in der westlichen buddhistischen Welt beobachtet habe, die in der Tat versucht, dem Lebensstil des Verzichts eine Kündigung zu erteilen. Oft hört oder sieht man Kommentare wie, „Wir müssen für die Gegenwart eine neue Form schaffen. Die traditionelle zölibatäre Form gehört einer anderen Ära an.“ Wenn wir uns selbst nicht im Klaren sind über den Wert unserer Mitwirkung an diesem Lebensstil, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass diese Spezies von Mönchen und Nonnen aussterben wird. Einige mögen sagen, dass sie dazu bestimmt ist – und vielleicht ist es so. Aber vielleicht auch nicht. Meine zweiundzwanzig Jahre, die ich diesem Weg gewidmet habe, machen mich geneigt zu glauben, dass er noch Leben in sich trägt – vibrierendes Leben und Bedeutung. Das heißt nicht, dass es nicht eine sehr reale Notwendigkeit zur Anpassung gibt.

Im Hinblick auf den Anpassungsprozess ist es wichtig, dass wir uns bewusst sind, wie unsere Annahmen unsere Wahrnehmungen färben. Von ihnen müssen wir ausgehen. Zum Beispiel war es früher üblich, dass Ordensleuten wegen ihrer überlegenen Gelehrsamkeit Respekt gewährt wurde. Die säkulare Erziehung hat all das geändert. Über die Jahrhunderte hinweg haben Fortschritte in der Technologie es mehr und mehr Menschen erlaubt, leichten Zugang zu riesigen Mengen an Informationen zu haben. Die positive Seite davon ist offensichtlich, aber wir haben den Kontext der Beziehung von Person zu Person verloren, die viel mehr vermittelte als einfach nur Information. Wir sollten zur Kenntnis nehmen, wie dies unsere Wahrnehmung der Rolle von Ordinierten in der Gesellschaft ändern könnte – wenn man Lehrreden und Kommentare vom Internet herunterladen kann, warum soll man sich dann die Mühe machen, ein Kloster aufzusuchen?

Der Respekt, der aufgrund von Bildung gezollt wird, ist ein Aspekt. Möglicherweise ist etwas von noch tieferer Bedeutung, was enorme Veränderung erfahren hat: der Bereich der Sexualität. Mit dem Gebrauch moderner medizinischer Techniken wurden die Folgen eines aktiven sexuellen Lebens verdeckt – Geburt und Kinderaufzucht sind jetzt eine Wahlmöglichkeit, nicht mehr unvermeidlich. Angemessener Gebrauch von Verhütungsmitteln kann bedeutsame Vorteile im Bereich von Gesundheit und Bevölkerungsentwicklung bieten. Diese Techniken haben es jedoch schwieriger gemacht, die Art von Anstrengung anzuerkennen, die nötig ist, um sexuelle Intimität aufzugeben. Der Impuls, das Zölibat zu respektieren, ist nicht mehr eine einfache Angelegenheit.

So lasst uns zusammen, als eine buddhistische Gemeinschaft, im Blick behalten, wie sich verändernde Bedingungen unsere Wahrnehmungen verändern. Diese Frage wird weiterhin unsere ernsthafte Aufmerksamkeit erfordern, da wir die fortschreitende Entwicklung des Sangha miteinander teilen.

Der Gang in die Hauslosigkeit

Heute am Vesakh-Tag feiern wir die Geburt des Buddha, wir ehren mit Hingabe seine Erleuchtung und erinnern uns mit Respekt seines Dahinscheidens. Und wir feiern diese Ereignisse zusammen als Schüler des Buddha. Das Ritual des Fortgehens in die Hauslosigkeit, das wir gleich vollziehen werden, verdeutlicht die Beziehung zwischen dem ordinierten Sangha von Mönchen und Nonnen, auch samana Sangha genannt, und der Laien-Gemeinschaft (upasakas).

Diese formale Zeremonie, die „das Fortgehen in die Hauslosigkeit“ (pabbajja) genannt wird, scheint für einige eine Trennung zwischen uns zu schaffen. Gelegentlich äußern sich Leute darüber, wie traurig sie sind über den Verlust einer wunderbaren Freundschaft; dass die Nähe einer Freundschaft, die sie zuvor hatten, durch das Anlegen der Robe weggenommen wurde. Ein wenig Traurigkeit ist verständlich, weil etwas Wertgeschätztes verloren ging. Aber wird da nicht auch etwas gewonnen? Denkt daran: Weisheit sieht beide Seiten, während das Anhaften an unsere Vorlieben die Verzerrung verursacht, nur eine Seite zu sehen. Der Abstand, der in unserer Beziehung erscheint, ist auch eine Chance, dass sich etwas Neues zwischen uns entwickeln kann. Vertrautheit ist nicht der einzige Kontext für Einsicht und vielleicht nicht einmal der beste. Manchmal pflegen wir eine Vertrautheit miteinander, um dem Schmerz der Einsamkeit, den wir fühlen, zu entgehen. Indem wir Unterschiedlichkeit betonen, können wir vielleicht zu einem größeren Sinn von gegenseitigem Nutzen gelangen. Dies entspringt einer neuen Qualität der Beziehung, die eine Schönheit in sich selbst besitzt.

Der Buddha forderte, dass seine Mönche und Nonnen ein Erscheinungsbild haben, das sich von dem der Haushälter unterscheidet. Zum Beispiel stellte er eine Übungsregel auf, nach der es uns nicht erlaubt ist, unsere Roben beiseite zu legen und Laien-Kleidung zu tragen. Ich bin sicher, er hat nicht erwartet, dass sich alle dem Ordinierten-Sangha anschließen würden, was nach der Vorstellung einiger Leute geschehen könnte. Wir sind verschiedene Wesen mit unterschiedlichen Sichtweisen. Mir scheint, der Buddha sah, dass die Gemeinschaft von zölibatären Ordinierten einen besonderen Beitrag zu leisten hat, sowohl für das Individuum, das dieses Leben führt, wie auch für die, die es unterstützen und als Zeugen miterleben.

Um einen altmodischen Ausdruck zu gebrauchen, dieses Leben ist eine Berufung. In der gleichen Weise wie jemand sich berufen fühlen mag, Krankenschwester zu werden. Sind Sie je einer wirklichen Krankenschwester begegnet? Wenn Sie krank waren und das Glück hatten, dass sich jemand um Sie gekümmert hat, die Krankenschwester aus einem Gefühl der Berufung heraus war, werden Sie wissen, was ich meine. Da gibt es eine natürliche Heilung, die mit ihrer Aufmerksamkeit einhergeht. Es ist ihre Natur, die Kranken zu heilen. Nicht jeder sollte oder könnte Krankenschwester werden, und nicht jeder sollte Mönch oder Nonne werden. Wenn es nicht in jemandes Natur liegt, das Leben der Entsagung zu leben, dann wird es nicht gehen. Aber ich würde denen raten, die einen solchen Ruf gehört haben, ihm zu folgen. Ich freue mich wirklich darüber, Zeuge solcher Gelegenheiten wie dieser zu sein, wenn jemand ‚in die Hauslosigkeit zieht‘. Wenn jemand von uns seinen wahren Weg im Leben findet, ist es ein Gewinn für alle Wesen, und das ist in der Tat ein Grund zum Feiern.

Heilsam für das Individuum

Überwindung von Selbstsucht

Das Individuum, das anzeigt, dass es sich einer Gemeinschaft von zölibatär lebenden Ordinierten anschließt, muss ein bewusstes Interesse haben, über selbstsüchtige Impulse hinauszuwachsen. Ohne diese Art von Wunsch, Selbstbezogenheit umzuwandeln, besteht die echte Gefahr, dass sich die ganze Mühe gegen uns richten wird. Anstatt dass unsere wilden, tierischen Leidenschaften transformiert werden in das, was wahrhaft menschlich ist, wird unsere egozentrische Natur bestärkt und wir werden zu Ungeheuern. Das kommt tatsächlich vor.

Auf dem Übungsweg, das dieser Lebensstil bedeutet, bemerken wir so die zwanghaften Tendenzen unseres Ego, Glück durch bloße Befriedigung von Begierde zu suchen, und wir richten unser Interesse darauf, die wirkliche Natur der Begierde selbst zu erkennen. Wir wollen das ‚Wollen‘ mit Bewusstheit erfahren, ohne uns darin zu verfangen. Wir wollen uns darin üben, das Anhaften an das Wollen zu überwinden. Das ist angemessenes Wollen oder Rechte Praxis (samma patipatta). Auf der konventionellen Ebene ist es erforderlich, bestimmte physische Aktivitäten aufzugeben, aber das Ziel ist die innere Erweckung: ein Verzicht auf unseren Einsatz für den Aufbau des Ichs. Die Form selbst ist es nicht.

Was spezifische Übungsrichtlinien betrifft, verlangt der disziplinarische Code (patimokkha), dass wir allen persönlichen Bezug zu Geld aufgeben – über keine Bankkonten verfügen, nicht einmal Geld in die Hand nehmen. Das entzieht uns selbst die Sicherheit, Kontrolle zu haben darüber, wie und wann wir essen. Wir können Nahrung nicht aufbewahren, nicht anbauen oder kochen. Der andere grundlegende Verhaltensaspekt, der durch das Training reguliert wird, ist die Sexualität. Es wird ein vollständiges Aufgeben aller absichtlichen erotischen Aktivitäten erwartet. Das ist extrem schwierig für jedermann.

Aber diese Erfordernisse von körperlicher Zurückhaltung in den Bereichen Geld, Essen und Sexualität sind nicht als Selbstzweck zu sehen. Und wir alle müssen uns das gegenwärtig halten, da der Kampf, der bei einem ernsthaften Versuch, diese Richtlinien einzuhalten, entsteht, solche Intensität erzeugt, dass wir die Perspektive verlieren können; wir vergessen den eigentlichen Punkt und konzentrieren uns zu stark auf die Regeln. Das ist ein Grund, warum es so hilfreich ist, in Gemeinschaft zu leben, vor allem in den frühen Jahren. Für die ersten fünf Jahre ist es erforderlich. Wir brauchen einander oft, um uns zu helfen, daran zu denken, bei alledem nicht übermäßig rigide zu werden. Dem Materialismus verpflichtet, halten wir nur zu leicht die Form fälschlicherweise für mehr, als sie ist. Die Form ist da, um dem Geist zu dienen. Die Katze wurde hinaus gesetzt, damit die Andacht ohne Unterbrechung fortgesetzt werden konnte. Als die Katze starb, hätte man sie vergessen sollen. Die Andacht war das Wesentliche. In unserem Fall ist der entscheidende Punkt, das Herz dem Weg jenseits von angeeigneten, selbstsüchtigen Vorlieben zu unterwerfen. Alle Regelungen, denen wir folgen, sollen dies unterstützen.

Energie durch Verzicht

Ist der Geist des Verzichts in uns lebendig, dann ist es nicht unangenehm, Dinge, die wir wollen, aufzugeben – es fängt an, sich wie ein Segen anzufühlen, dass wir die Ermutigung dazu haben. Wir sind dankbar, dass wir eine Form haben, die eine langfristige Bemühung von Körper, Sprache und Geist unterstützt, gegen den tiefen und starken Strom der selbstsüchtigen Leidenschaften anzugehen. Wir wissen, dass wir ohne dies möglicherweise die Spannung nicht lange genug hätten aushalten können, damit ein Loslassen geschehen konnte. Wenn Loslassen tatsächlich stattfindet, spüren wir enorme Energie – all die Energie, die zuvor eingebunden war in die Aufrechterhaltung der Starrheit. Jedes Mal wenn wir dieses wertvolle Reservoir an Energie neu entdecken, werden unsere Aspirationen erfrischt und bekräftigt.

Am Anfang sind wir inspiriert von unseren Studien und der Verbindung zu weisen Wesen, um die Möglichkeit dieses Weges zu erforschen. Dieses Interesse ist eine Form von Energie, aber nicht genug, um die machtvollen Strukturen unseres Persönlichkeits-Glaubens (sakkaya ditthi) aufzulösen. Diese Persönlichkeits-Struktur ist, von einer Perspektive aus betrachtet, ganz angemessen. Natürlich sagen wir nicht, dass da etwas nicht in Ordnung ist, wenn man eine stabile Persönlichkeit entwickelt. Aber von einem spirituellen Standpunkt aus ist dies nur eine begrenztes Stadium von Entwicklung. Es bringt ein lästiges Gefühl von Einsamkeit und Isolation mit sich. Es fühlt sich wie ein Gefängnis an und treibt uns dazu, Gier und Ärger und Verwirrung aus zu agieren. Diese drei ‚Gifte‘, wie sie klassischerweise im Buddhismus bezeichnet werden, verbreiten ihren toxischen Stoff in unserem ganzen Körper, unserem Herz und unserem Geist. Sie sind die Nahrung für verblendetes ‚Ich-Sein‘. Der Übungsweg zeigt auf, dass enorme Energie erforderlich ist, um diese Strukturen aufzuheben, und der Verzicht ist eine der besten Weisen, diese Energie zu finden.

Oft äußern Leute mir gegenüber, dass es ihnen an Energie in der Praxis fehle. Versuche, etwas aufzugeben und sei dir der Intensität der Energie im ‚Ich will…‘ bewusst, die erscheint. Energie ist da, aber es ist eine Frage, wie man mit ihr in Kontakt kommt und wie man mit ihr umgeht. Wir wollen nicht, dass wilde Energie aufbraust und sich in jede Richtung verbreitet, noch wollen wir leblos sein. Die Leidenschaften sind unser Vermögen oder unsere Erbschaft, die wir freisetzen müssen, so dass sie uns für den Weg der Entwicklung des Geistes zur Verfügung stehen.

Wir alle haben viele gute Intentionen und Ideen, aber manchmal klappt ihre Übertragung in eine so einfache Praxis nicht, wie das Aufstehen am Morgen zu der Zeit, die wir beschlossen hatten, oder fähig zu sein, seine Aufmerksamkeit bei einem gewählten Meditationsobjekt zu halten, ganz zu schweigen vom Aufgeben der Anhaftung, von der wir wissen, dass sie uns zurückhält. Hierin liegt die Schwierigkeit dieses Trainings. Es erfordert Energie, und es erzeugt Energie. Schließlich kommen wir zu der Erkenntnis, dass wir alle unsere Energie benötigen, damit es mit uns vorangeht. Wir benötigen sie, um die Grenzen aufzulösen, um durch die Trägheit unserer konditionierten Natur durchzudringen und in uns selbst hineinsehen können. Es ist die gleiche Energie, die uns aufrechterhält, wenn wir das Gefühl haben, alles sei verloren.

Die Inspiration, zur Wirklichkeit vorzudringen, ist nichts Sicheres; sie wandelt sich, und manchmal fühlt es sich an, als sei sie ganz verschwunden. Unsere anfängliche Inspiration ist wie ein Kredit, den wir erhalten, damit wir auf dem Weg starten können. Wenn er ausläuft, müssen wir unsere eigenen Quellen von Unterstützung gefunden haben. Ständig laufen wir mit Inspiration weiter so lange wie möglich. Einige versuchen es länger hinzuziehen als möglich; aber schließlich verschwindet die Inspiration, und Desillusionierung kommt auf. Dies mag nach fünf oder sechs oder sieben Jahren geschehen, nachdem man diesen Pfad des Verzichtes aufgenommen hat. Wenn es mit einer anderen Lebenskrise zusammentrifft, wird die Erschütterung sehr tief sein. Aber wann immer sich das ereignet, wird es wohl nötig sein, sich zur Reflexion an andere zu wenden. Hier sehen wir wieder den Wert des Gemeinschaftslebens. Wenn wir vertrauensvolle, offene Freundschaft finden, dann ist diese einfühlsame Beziehung selbst eine wirklich fortdauernde Quelle von Energie. Rechte Beziehung selbst erzeugt Energie. Der Zustand der Desillusionierung ist schrecklicher, als er beschrieben werden kann, aber er ist so natürlich und notwendig wie spirituelle Kameradschaft. Der Buddha hat nicht umsonst gesagt, dass wahre spirituelle Freunde (kalyanamitta) wichtig sind.

Heilsam sein für andere

Sichtbarer Kontrast

Ich denke, wir alle erkennen an, dass die Möglichkeit, in Gemeinschaft zu leben, für Menschen angemessen und gesund ist. Das gemeinschaftliche Leben hat es bereits lange Zeit gegeben. Nur, wie lange es zölibatäre Ordensgemeinschaften gegeben hat, ist nicht so klar. Was sie leisten, ist dies: als ein Zeichen zu dienen, das der Gesellschaft eine alternative Perspektive bietet.

Betrachten wir unsere Gemeinschaft hier. Unser Leben ist darauf gegründet, dass wir uns aller Frustration, die entsteht, so bewusst werden wie möglich. Wir erheben Frustration auf die Ebene einer spirituellen Kraft. Nicht viele auf der Welt sind dazu in der Lage. Hier lernen wir, Frustration zu lieben – das heißt, sie mit ganzem Herzen zu umfangen. Wir erwarten nicht, sie zu mögen. Die meisten Menschen entwickeln im Gegenteil Strategien, sie um jeden Preis zu vermeiden. So ist es gut, dass es eine Gruppe von Menschen wie uns gibt. Indem wir gesehen werden, wie wir den Frustrationen des Lebens auf eine andere Art begegnen, bieten wir ein Beispiel an, das die weitverbreiteten Annahmen der Welt herausfordert; Annahmen, die, wenn sie unbemerkt bleiben, die ganze Zivilisation in übermäßigen Konsum, Überpopulation und selbst in die Zerstörung treiben könnten. Was auch immer das tatsächliche Resultat sein könnte, wahr ist, dass die nicht überprüfte Annahme von „je mehr, desto besser“ mit Sicherheit traurige Konsequenzen hat.

Heute hier im Ratanagiri Kloster ist die Person, die um die Aufnahme in den samana Sangha ersucht, im Begriff, die Einschreibung in unseren Kurs in angewandter Frustration förmlich zu erbitten. Er möchte sich an die Arbeit machen, die gewohnheitsmäßigen Verspannungen aufzulösen, die angesichts persönlicher Enttäuschung auftreten, und die Energie, die dabei freigesetzt wird, zur Entwicklung von Weisheit und Mitgefühl einzusetzen. Ich glaube, der Buddha wollte, dass unsere Welt dieses Zeichen als eine lebendige Lehre in der Gesellschaft vorfindet. Wir sind nicht eine Gruppe von Menschen hinter Klostermauern, von der Welt abgeschnitten – ganz im Gegenteil. Indem der Buddha Einschränkungen im Bereich des Essens etabliert hat, machte er es zur Notwendigkeit, dass die Mönche und Nonnen und Laien miteinander in Kontakt bleiben. Die erzwungene Abhängigkeit des samana Sangha von der Laiengemeinschaft ist dazu bestimmt, dass wir in Verbindung miteinander bleiben. Wir brauchen uns gegenseitig, und wir wissen es. Die absichtliche Abhängigkeit dieser Art zielt darauf, eine Qualität der Beziehung zu schaffen, die es sonst nirgendwo gibt. Diese Art von Abhängigkeit ist nicht ein Zeichen von Schwäche; vielmehr ist das Unvermögen, von anderen abhängig zu sein, wenn Abhängigsein zu vermehrtem Wohlsein führt, mit größerer Wahrscheinlichkeit ein Zeichen von Begrenztheit.

Das Nachdenken über das Wesen der Beziehung zu uns selbst, zu den anderen und der Welt gegenüber ist dann eines der Angebote, das wir denen machen, die an Orten wie diesem Kloster leben oder die es besuchen. Achtsamkeit im Hinblick auf Beziehung wird verstärkt durch die beobachtbaren Unterschiede zwischen uns. Dass wir uns gegenseitig brauchen, ist nicht ein Symptom unserer Unzulänglichkeit – es ist eine Wahl, die wir treffen, weil wir gemerkt haben, dass es angemessen ist.

Ein universales Zeichen

In Kürze wird sich eine Gruppe von Nonnen aus der Gegend nördlich von London aufmachen, um zu unserem Kloster in Devon zu gehen. Sie werden dort zum ersten Mal ihre eigene Gemeinschaft etablieren. Ich weiß nicht, welche Art von Sicherheitsnetz sie auf dieser Reise haben, aber im Großen und Ganzen ist es ihre Absicht, den gesamten Weg zu Fuß zurückzulegen, im Vertrauen darauf, dass die Leute, die sie treffen, ihnen genug Essen und Unterkunft geben werden, so dass sie das Ziel ihrer Reise erreichen.

Die Mönche von Ratanagiri gehen meist im Sommer los, einfach mit einer Almosenschale und einem Schlafsack, und sie gehen fast nie leer aus. Tatsächlich haben sie oft das Problem, dass ihnen zuviel gegeben wird. Manchmal fangen die Leute damit an, ihnen Geld anzubieten, das der Mönch ablehnen muss, indem er erklärt, dass er nur Essen annehmen kann. Oft führt sie dies zum nächsten Supermarkt, aber bei ihrer Rückkehr hat schon jemand anders die Schale gefüllt.

In unserem Herzen haben wir das Gefühl, dass die Erscheinung eines Mönchs oder einer Nonne etwas bedeutet. Wir sind nicht so sicher, was es bedeutet, aber da ist etwas Universelles im Erkennen. In traditionellen buddhistischen Ländern ist es leicht zu verstehen, wie die Sicht eines samana Vertrauen und Hoffnung hervorruft. Aber selbst im post-modernen, säkularen Europa trägt das Zeichen eine Botschaft.

Die Leute sehen etwas von sich selbst in diesem Zeichen. Sie erkennen in der Erscheinung von geschorenem Kopf, Roben und Sandalen einen Menschen, der ’nein‘ gesagt hat zur persönlichen Erfüllung von Verlangen – das heißt, wenn sie uns nicht als verrückt abstempeln, was auch geschieht. Aber öfter findet ein Erkennen statt. Und ich denke, was erkannt wird, ist der Mönch und die Nonne in ihnen; derjenige, der die Geheimnisse des Lebens kontempliert und danach sucht, über die äußerlichen Manifestationen der sinnlichen Welt hinauszusehen. Indem Menschen dem ‚äußeren‘ Mönch oder der Nonne Essen offerieren, wird ihr ‚inneres‘ kontemplatives Wesen genährt. Indem sie jemandem, der das Leben der Entsagung führt, Respekt erweisen, wird ihre innere Neigung zu Entsagung geehrt. Dies ist die Bedeutung des Verses aus der Mahamangala Sutta, die wir zu Beginn der heutigen Versammlung rezitiert haben:

Samanañanca dassanam etam mangalamuttamam
Die Begegnung mit einem Ordinierten ist ein großer Segen.

Wenn wir erkennen, was in der Gestalt eines Mönchs oder einer Nonne symbolisiert ist, wird jene kontemplative Qualität für uns zum Leben erweckt, die über die äußere Erscheinung der Dinge hinaussieht. Aus diesem Grund lassen solche Begegnungen oft so viel Freude entstehen. Es ist wirklich ein Segen, sich wieder mit einem Aspekt der Wahrheit in unserem eigenen Herzen zu verbinden – vielleicht ein Aspekt, den wir vergessen hatten oder an dessen Existenz wir vielleicht gezweifelt oder den wir insgesamt abgetan hatten.

Dementsprechend scheint es mir, dass solche Zeichen ihren Ort haben. Sie dienen der Wahrheit in uns allen, und wann immer und wo immer der Wahrheit gedient wird, haben alle Wesen einen Vorteil davon. Das ist der einzige Grund, weshalb es diese Tradition nach 2 500 Jahren noch gibt. Sie spiegelt das tiefste Verlangen unseres Herzens. Sie belebt die Erinnerung an ein inneres Verlangen, zu unserem wahren Erbe zu erwachen.

Der Segen des Dienens

Diese Erbschaft ist für uns im Bild des Buddha symbolisiert. Wenn wir es sehen, spricht es zu uns von dem, was zu realisieren ist. Das Licht, das durch das Vertrauen entsteht, das wir in eine reale Wirklichkeit haben, bringt Hoffnung und Inspiration hervor, diesen uralten Weg zu gehen. Unser Vertrauen in den Dhamma belebt einen natürlichen Wunsch, dem zu dienen, was den Dhamma unterstützt. Wie wir in unserer Abendandacht sagen;

„Ich bin der Diener des Dhamma, der Dhamma ist mein Herr und Führer. Der Dhamma ist der Zerstörer des Leids und bringt mir Segen …“

Die Worte, die hier in der Übersetzung verwendet wurden, mögen für uns passen oder nicht, aber es ist das Gefühl, auf das es ankommt. Der Geist ist der entscheidende Punkt, nicht die Form. Im Geist des Dienstes für den Dhamma, im Dienst von Weisheit, Mitgefühl und Reinheit sind wir alle vereint. Wir sind darin gleich und zusammen, und da wir uns heute treffen zur Feier der Geburt, der Erleuchtung und des Dahinscheidens des Buddha, lasst uns noch einmal unsere Wertschätzung dieses Segens ins Gedächtnis rufen und erneuern. Ohne diese Zuflucht zu den Drei Juwelen, ohne diese Orientierung für die Sehnsucht unseres Herzens, würden wir höchstwahrscheinlich Sicherheit suchen, indem wir uns aus Furcht an etwas klammern. Wie unglücklich und unnötig ist es, rigide zu werden. Dass wir uns bereitwillig dem Dienst für den Weg hingeben, hält uns lebendig, unseren ganzen Körper, unsere Sprache und unseren Geist aktiv in Übereinstimmung mit der aktuellen und vibrierenden Wirklichkeit dieses Augenblicks.

Aus einer bestimmten Perspektive gesehen, mag das Miterleben, wie ein Freund in den Ordinierten-Sangha fortzieht, ein Gefühl von Trennung hervorbringen, aber wenn diese neue Öffnung angenommen wird im Wissen darum, wie wir alle vereint sind, wird jegliche Traurigkeit nicht lange anhalten. Das Strahlen der Wirklichkeit scheint über alle Schatten hinweg, die von falscher Vertrautheit geworfen wurden.

Aus: Ajahn Munindo. The Gift of Well-Being. Joy, Sorrow and Renunciation on the Buddha’s Way. River Publications, UK. For free distribution.

Ins Deutsche übersetzt von Sucinta Bhikkhuni.

Mit Dank an den Ehrwürdigen Ajahn Munindo für die freundliche Genehmigung, die deutsche Übersetzung für diese Website verwenden zu dürfen. Mehr vom Sangha Aruna Ratanagiri siehe unter www.aruno.org.

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