Die Bedeutung der Ordination als buddhistische Nonne – Ayya Khema
Als buddhistische Nonne ordiniert zu werden ist ein schwerwiegender Schritt im Leben einer Frau, so dass man sich der Bedeutung ganz bewusst sein sollte, bevor man ihn unternimmt.
Bis zu dem Moment der Ordination kann man natürlich keine Vorstellung davon haben, was es mit sich bringt, Nonne zu sein, weil ja nur der Laienstand bisher erlebt wurde. Natürlich wird man Erwartungen, Hoffnungen und Ansichten haben, von denen die meisten nach und nach berichtigt werden müssen.
Man kann es mit dem Heiraten vergleichen. Ohne vorher erfahren zu haben, was es bedeutet eine verheiratete Frau zu sein, werden viele unrealistische Vorstellungen gehegt. Wegen eines starken Gefühls von Liebe und Zusammengehörigkeit macht man diesen Schritt, unbekümmert, ohne Befürchtungen und Sorgen. Wenn die Jahre vergehen, wenn Liebe, Bindung, Verstehen und Hingabe schwächer werden, leidet die Ehe, verschlechtert sich und bricht möglicherweise zusammen.
Dasselbe gilt für das Nonne-werden und -bleiben. Mag auch anfangs ein Rausch von Erregung und Vorfreude dasein – wenn Liebe, Hingabe, Bindung und Verstehen nicht fortwährend kultiviert werden bis sie wirklich Qualitäten des eigenen Herzens geworden sind, wird der Nonnenstand nicht florieren und sich entweder in Enttäuschungen, Unzufriedenheiten oder in eine Rückkehr ins Laienleben auflösen.
Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen einem Leben als Laienfrau und dem als Nonne, der große Bedeutung für diejenige hat, die ordiniert ist. Ich spreche nicht über den Status oder die Wichtigkeit innerhalb der Gesellschaft. Ich spreche über meine eigene Erfahrung als praktizierende Laienfrau in der Vergangenheit und jetzt als Nonne.
Es ist eine Frage der Priorität und Verbundenheit.
Wenn man als Laienfrau praktiziert, kann man sicher meditieren, gemäß der Tugendregeln leben und sich in Großzügigkeit üben. Man kann einiges tun, aber das tägliche Leben ist mit so vielen anderen Pflichten und Verantwortlichkeiten durchsetzt, dass die Praxis, wie ich es selber erlebt habe, zuletzt kommt. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Stunden am Tag, und jeder muss schlafen, essen, sich waschen und aufräumen. Es gibt so viele andere wichtige Dinge, die den eigenen Geist und auch die eigene Zeit zu bedrängen scheinen, so dass die Energie, die der Praxis zukommen sollte, sehr gering wird.
Wenn die Zeit gereift ist und man klarer erkennen kann, dass es nichts Wichtigeres gibt, als den Weg des Buddhas zu praktizieren, um Dukkha (das Nichtzufriedenstellende) für immer zu eliminieren, dann kommt der Moment, wo Ordination als der einzige mögliche Schritt erscheint. Das bedeutet sicherlich nicht, dass alles Dukkha verschwindet, aber die Priorität, das Hauptziel der täglichen Aktivitäten ist die Praxis des Dhamma. Wenn das klar ist, muss man auch aufpassen, seine Zeit nicht in einer Art und Weise zu benutzen, die dieser Absicht entgegenwirkt. Im Pāli nennen wir das Saṁvega – die Dringlichkeit, sich jeden Tag daran zu erinnern, warum wir diese Roben angezogen haben – nämlich um zu üben!
Was bedeutet es zu praktizieren? In der Theravāda Tradition besteht die Praxis aus zwei Dingen: Studium und Meditation!
Wenn wir erkennen, dass dies das Wichtigste ist, so heißt das nicht, dass wir nachts nicht schlafen, kein Essen zu uns nehmen oder unsere Kleidung nicht waschen. Es gibt natürlicherweise Situationen, wo Essen gekocht, Gehwege gefegt und Flure gesäubert werden müssen. Oftmals treffen wir Frauen, die dann sagen, das sei keine Dhamma-Arbeit. Das ist eine irrige Ansicht. Wenn wir praktizieren, dann können wir bei jeder Aktivität Dhamma-Arbeit tun, jedoch dürfen wir den Aktivitäten nicht erlauben, so überwältigend zu werden, dass wir keine Zeit für Studium und Meditation mehr haben.
So ist es ein Balanceakt, der häufig als sehr schwierig empfunden wird. Das ist der Grund, warum man am Anfang der Nonnenpraxis einen erfahrenen Lehrer braucht, der sagt, was zu tun ist und dessen Anweisungen man in Demut folgen kann.
Es gibt noch einen anderen Aspekt des Nonnenlebens, nämlich professionell darin zu werden. Die Roben sollten nicht eine spezielle Tracht sein, sondern die Erklärung, eine Dienerin der Menschheit zu sein. In unserer Tradition ist es Anattā (Nicht-ich). Wir versuchen nicht, etwas zu sein. Wir versuchen „Selbst-los“ zu werden. So bedeutet das Tragen der Roben im Wesentlichen öffentlich zu zeigen, dass man versucht, absolut niemand zu werden.
Es gibt viele Hindernisse auf dem Weg, wie wir alle wissen. Ein großes Hindernis ist es, Lehrerin zu sein. Entweder lieben dich die Menschen und denken, du seist wunderbar oder sie hassen dich und denken, du seist schrecklich.
Ein anderes Hindernis ist es, Klöster zu bauen. Ein weiteres besteht darin, auf Reisen zu gehen. Unser größtes Hindernis aber ist der Geist. Macht Euch nichts daraus, Hindernisse sind dazu da überwunden zu werden. Das einzige, was zählt, ist das Wissen, warum wir die Roben tragen und was wir tun, während wir sie tragen.
Oft habe ich Frauen in Roben als Dhamma-Kämpfer betrachtet. Eine erfolgreiche Armee muss die besten Waffen haben. Was sind die wichtigsten Waffen, mit denen diese Dhamma-Armee ausgerüstet sein könnte?
Es ist ein weibliches Vorrecht und manchmal auch eine weibliche Schwierigkeit, dass wir sehr oft mit unseren Emotionen zu tun haben. Diese Gefühle kann man läutern, um wirklich Mettā – Liebende Güte – zu werden, über die der Buddha gesprochen hat. Mettā ist die nützlichste und wirksamste Waffe, die wir haben.
Die Welt, die wir kennen, in der wir leben, bringt viel Furcht, Hass, Unglück, Angst und Feindseligkeiten in die zwischenmenschlichen Beziehungen. Wenn wir wahre Jünger des Buddha sein wollen, dann ist es unsere Aufgabe in unserem eigenen Herzen eine Liebe zu entwickeln, die keine Unterschiede kennt. Die meisten Menschen der Welt suchen jemanden, der sie liebt.
Es ist unsere Aufgabe zu lernen, dass das nicht sinnvoll ist, sondern dass die Entwicklung der Liebenden Güte im eigenen Herzen und das Verströmen zu anderen die wirkliche Praxis ist.
Warum sollte man dazu als Laienfrau nicht in der Lage sein? Es gibt keinen Grund außer, dass die eigene Familie da ist, auf die wir uns stützen können und an der wir anhaften. Das Tragen der Robe ist der erste Schritt eines Entsagungsprozesses, der eines Tages mit Nibbana enden kann und wird. Lebt man als Nonne in einem Nonnenkloster, wird die eigene Familie ein Teil der gesamten Menschheit. Das ist schon ein Schritt der Entsagung von unserem Anhaften und Begehren. Ohne dieses Anhaften haben wir die Möglichkeit, das Herz für alle Wesen zu öffnen. Nicht, weil sie Liebe brauchen, geliebt werden wollen oder liebenswert sind, sondern weil das Herz nichts anderes tun kann. Diese Übung kann einer der bedeutendsten Schritte unserer Entsagung sein. Nachdem wir auf unsere Haare, unsere Kleider, Schmuck und Habseligkeiten verzichtet haben, ist der nächste Schritt die Überwindung des Anhaftens an unseren Nächsten und Liebsten, das besonders Frauen gut kennen.
Diese Roben werden das Banner der Arahants genannt. Auch wenn wir nicht alle Arahants sein mögen, so hissen wir doch ihre Fahne. Das ist ein Aspekt, der Nonnen zu Profis macht. Es ist wichtig sich klar zu sein, dass wir dieses Banner hissen.
Ein anderer Aspekt ist Wissen.
Wissen bedeutet hier Kenntnis, die Kenntnis der eigenen Tradition, ihrer Geschichte, ihrer Bedeutung und ihrer Praxis. Und der wichtigste Punkt ist, dann das Wissen in Weisheit zu verwandeln. Damit Wissen zu Weisheit wird, müssen wir den meditativen Pfad praktizieren und mit dem Herzen erleben, was der Kopf weiß. Ich nenne das ‚erkanntes Erleben‘.
Wenn wir so üben, finden wir heraus, dass wir nun die Worte des Buddha als Wahrheit erfahren können. Dann kommt der Zeitpunkt, an dem wir tatsächlich das Dhamma werden, statt es nur zu lesen oder zu hören.
So ist also der Hauptunterschied zwischen dem Tragen gewöhnlicher Kleidung und Roben, dass unser ganzes Streben darauf hinaus läuft, das Dhamma in sich selbst zu verwirklichen. Der Buddha sagte: „Wer mich sieht, sieht das Dhamma – wer das Dhamma sieht, sieht mich.“ Dieses Sehen ist ein innerliches Schauen des Dhamma, das eine andere Wirklichkeit ist als die, in der wir im Alltag leben. Diese andere Wirklichkeit zu schauen gibt dem Leben eine tiefe, innere Stärke.
Viel vom Wert des Nonnendaseins liegt darin, anderen Frauen ein Beispiel für weibliche Unabhängigkeit von männlicher Billigung und Macht zu geben, stattdessen vollkommen erfüllt von spirituellem Streben zu sein. Wenn eine Nonne Frieden und Glück in ihrer Berufung findet und fähig ist, etwas davon anderen zu vermitteln, so ist ihr Beitrag für eine bessere Menschheit von größtem Wert und kann tatsächlich die Qualität des Lebens vieler verändern.
Einer von zwei Vorträgen, die aus Anlaß des 10. Todestages von Ayya Khema vom Nonnenkloster Aneñja-Vihara als Broschüre herausgegeben wurden. Träger des Nonnenklosters war damals noch das von Ayya Khema gegründeteBuddha-Haus, Meditations- und Studienzentrum e.V.